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Realkulturpolitik

Mi, 27. Januar 2016

Zur Politik gehört die Debatte, wie die Debatte zur Kultur gehört. Was die Politik und die Kultur verbindet: sie sollten einen Freiraum für das Erwägen von Möglichkeiten bieten, wie Gesellschaft sein könnte und was dies mit Blick auf die bekannten etablierten Formen und Strukturen heißt – ein utopischer Ort, wo Gedanken und Positionen ausgetauscht werden und neue Ideen formuliert werden.

Die Welt hat sich gedreht und es lässt sich nicht leugnen, dass die Grenzen zwischen Kunst, Kultursektor und den diversen gesellschaftlichen Feldern verschwimmen.  Die Kultur hat eine funktionale Stellung in der Gesellschaft. Sie ist auch ein Wirtschaftsfaktor und die Grenzen zwischen Kunst, Design und Technik, zwischen Kunst und Wissenschaft und zwischen Kunst- und Bildungsdebatten gibt es nicht (mehr).

Und genau hier sollte die Debatte geführt werden. Geht es um Geld oder um Relevanzen. Entscheidet Geld über die Qualität? Was sind die Qualitätsindikatoren? Ist es die Nachfrage in Form von Auslastungs- oder Eintrittszahlen? Warum und mit welchem Zweck soll etwas realisiert werden? Geht es darum, Geld zu verdienen? Oder darum, Tradition zu pflegen und kulturelle Identitätsstiftung zu betreiben? Geht es um Unterhaltung und Ablenkung vom tristen Alltag? Oder geht es vielmehr darum, gesellschaftliche Spielräume zu öffnen, in denen kritische Distanz geübt werden kann und Reflexion und Verwandlung stattfindet.

Kunst und Kultur suchen und bieten in der aktuellen gesellschaftlichen Situation Möglichkeiten der Auseinandersetzung, Teilhabe und Teilgabe. Es ist kontraproduktiv die Kultur in diesem Kontext als teure „freiwillige Leistung“ abzuwerten und sie damit als Konsumgut für das schöne Wochenende zu disqualifizieren und sich privates Engagement zur Finanzierung zu wünschen. Interesse, Anteilnahme, Eigenverantwortung, Integration und Veränderung stellen sich nicht nur über die materielle Grundversorgung ein, sondern ganz explizit über Sinn und Identität. Wenn Kultur ein Konsumgut ist, dann ist die Demokratie eine Wurfsendung und keiner muss sich wundern, wenn der Staat oder die Kommune nur noch als Dienstleister angesehen werden, und die Akzeptanz von gemeinsamen Werten im Zusammenleben zu wünschen übrig lässt, weil die eigenen Möglichkeiten und Verantwortungen darin nicht vorkommen – weil es nicht verhandelte und erkannte, sondern aufgesetzte Werte sind.

Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. Mir geht es um die Anerkennung des Politischen – um das Festhalten und Formulieren der gesellschaftlichen Relevanz als notwendiges Element in der Verhandlung um die Aufgaben der Kommune in diesem Bereich – zur Klärung dieser Fragen brauchen wir eine öffentlich geführte Kulturdebatte mit unserem Publikum, den Bürgern und den verantwortlichen Kulturpolitikern.

Renate Heitmann